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Berichte aus der Welt der Psychiatrie




Nicht ohne meine Medikamente!

Erstellt von Bodo am 6. Juni 2021 - 15:12 - 

Im Krankenhaus kommt man in der Regel zum ersten Mal in Kontakt mit Psychopharmaka; meist werden es Neuroleptika sein, wenn man ein junger Psychosepatient ist und dieser erste Kontakt ist oft verstörend und traumatisch. Das Finden des richtigen Medikaments für die sehr unterschiedlichen Empfindlichkeiten der Patienten ist eine der schwierigsten Aufgaben der behandelnden Ärzte. Zuerst kommt es darauf an, die Erregtheit zu mindern, eine compliance herzustellen. Eine Krankheitseinsicht muss da noch nicht vorhanden sein. Im zweiten Schritt gilt es, ein gutes Mittel gegen die geschilderten Symptome zu finden. Bei dem einen mögen es eher körperliche Symptome sei, bei der anderen vielleicht kränkende Stimmen und bei der dritten ist es ein Wahngebäude, das infrage zu stellen, eine medikamentöse wie psychotherapeutische Aufgabe ist.

Wenn spezifische Symptome durch die Medikamente gemildert, im besten Fall ganz unterdrückt werden, bekommt die Patientin wieder eine Distanz zum Geschehen und kann rationaler urteilen. Er oder sie nimmt dann freiwillig die Medizin, um zumindest wieder ein normales Leben ohne Krankenhaus führen zu können. Eine Krankheitseinsicht ist dafür nicht Voraussetzung. Es kommt wie es kommen muss: dem Patienten geht es gut, er denkt er wäre geheilt und spielt mit dem Gedanken auf die Medikamente zu verzichten, auch oft wegen diverser Nebenwirkungen. Gut wäre es, darüber mit seinem Arzt zu sprechen, damit er bereit steht. Aber oft handelt der Patient auf eigene Faust und über kurz oder lang zeigen sich wieder die Symptome der schweren Krankheit und nur mit viel Glück lässt sich ein weiterer Aufenthalt vermeiden, nämlich, wenn die Patientin rechtzeitig zur Einnahme zurückkehrt.

Eine Krankheit ist eine Krankheit. Dafür braucht man sich nicht schämen, genau wie Zuckerkranke oder Herzkranke. Eine psychische Krankheit hat nur einen etwas ungewöhnlichen Beigeschmack, der durch die verrückte Gedankenwelt hervorgerufen wird. Die abstrusen Gedanken sind aber nur sekundäre Symptome, die auf dem aus der Bahn geratenen Nervenstoffwechsel basieren. Beruhigt sich dieser Stoffwechsel wieder, oft nur mit Medizin, verschwinden meist auch die psychotischen Symptome. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Wenn Ihnen also jemand sagt, die psychiatrischen Medikamente seien schädlich und die Psychiater seien alles Verbrecher, hören Sie nicht auf sie! Das sind in der Regel sektiererische Aktivisten, die Beitragszahler suchen für ihren sogenannten Selbsthilfeverein. Hören Sie auf Ihren Arzt oder Ihre Therapeutin, und wenn das eine Medikament nicht so gut sein sollte, dann findet man gemeinsam ein neues - als Stütze für ein beschwerdefreies Leben! Ohne Medikament ist man der Krankheit hilflos ausgeliefert und es ist oft nur noch ein Vegetieren bis zum Unerträglichsein. Riskieren Sie nicht Ihr Leben!

Eine andere Frage ist, wie man mit den psychotischen Erfahrungen umgeht: für die eine kann es hilfreich sein, völlig zu verdrängen; für den anderen ist ständige Repetation und Wiederholung, am besten durch Schreiben, der richtige Weg. Damit das Dunkle seinen Schrecken verliert. Aber nie ohne deine Medikamente!




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