Hallo liebe Foren-Leser, ich habe das Bedürfnis, etwas von meinem Leidensweg zu erzählen, da er, denke ich, Hoffnung machen kann. Meine Diagnose ist eine schizo-affektive Psychose, das ist in meinem Fall eine Mischung aus einer bipolaren Störung (manisch-depressiv) und einer echten Schizophrenie mit Plus-Symptomen. Meine Krankheit begann plötzlich mit 15 als körperliche Krankheit. Doch einige Symptome wie z.b. Übelkeit blieben nach Abklingen des Infekts erhalten. Außerdem blieb ich den ganzen Tag im Bett, außer dass ich noch zur Schule ging. Ich beschränkte mein gesamtes Leben auf das Minimum, und das hieß damals Schule. Das ging so ein Jahr lang, bis ich immer hypochondischer wurde und schließlich eine Depression festgestellt wurde. Ich hatte seit Beginn der Erkrankung keinerlei Kontakt mehr zu Freunden. Tatsächlich hatte ich keine reine Depression, sondern auch Schizophrenie. Aufgrund der ständigen Reizüberflutung in meinem Gehirn enthielt ich mich instinktiv allen Reizen. Das Taschengeld sammelte sich an, da ich einfach nichts ausgab, denn einkaufen war zu anstrengend. Ich half kein bisschen mehr im Haushalt. Dennoch hatte ich auf dem Gymnasium noch immer hauptsächlich Zweien und schonmal eine Eins, vor meiner Erkrankung war ich einer der besten Schüler der gesamten Schule. Nach einem weiteren Jahr ohne angemessene Behandlung beschloss meine Psychiaterin mit meinen Eltern gegen meinen Willen, das ich zu meinem Vater in eine andere Stadt ziehen müsse. Willensschwach wie ich war ließ ich es über mich ergehen. In der neuen Schule fand ich natürlich überhaupt keinen Anschluss und wurde zunehmend schizophrener, bis schließlich eine manische Phase auftrat, die stark schizophrenen Charakter hatte. Ich ließ mich überzeugen, Zyprexa zu nehmen und kam wieder auf den Boden. Allerdings war die Dosierung nicht stark genug, ich blieb wie gelähmt. Es blieben sogar Plus-Symptome. Im Sommer versuchte ich mich zu erhängen, es ging zufällig schief und niemand merkte es. Durch einen großen Zufall (ich las in einer Lektüre die Worte Psychiatrie-neue Impulse) war ich dann dazu bereit, mich stationär behandeln zu lassen. Die Psychiatrie war das beste, was mir während meiner Krankheit passiert ist. Endlich bekam ich wirksame Medikamente und eine richtige Diagnose. Ich lag nicht mehr den ganzen Tag im Bett. Nach einem halben Jahr in der offenen Psychiatrie und einem halben Jahr Tagesklinik kam ich wieder in die Schule. Ich machte das Abi mit 1,9 an einer angesehenen Privatschule. Jetzt studiere ich Informatik im 2. Semester und habe einen Durchschnitt von 1,8. Ich bin einer der besten in meinen Kursen. Das sage ich nicht, um anzugeben, sondern um anderen Betroffenen Mut zu machen. Ich hatte bis vor kurzem regelmäßig bei Belastungen psychotische Zustände wie z.b. leichten Wahn und akustische Halluzinationen, konnte auf keine Party gehen und kaum an allen Vorlesungen teilnehemen. Jetzt habe ich von Leponex und Amilsupirid auf Fluanxol umgestellt. Ich kann endlich wieder Gefühle empfinden und die psychotischen Zustände sind weg! Allerdings muss ich ein Semester länger studieren, weil ich durch die harte Umstellung viel gefehlt habe. Ich habe mittlerweile zwei Freunde, mit denen ich mich regelmäßig treffe und weitere Bekannte, mit denen ich mich manchmal treffe. Ich bin damit erstmal zufrieden. Ich bin nicht der einzige geistig fitte und leistungsfähige Psychiatrie-Erfahrene. Mein Vater hat auch die Krankheit und er ist seit 9 Jahren Richter und ohne Rückfälle. Meine beste Freundin hat ebenfalls die Diagnose schizo-affektive Psychose und sie arbeitet voll und hat ein befriedigendes Sozial-Leben. Die Krankheit ist eine Beeinträchtigung, aber man kann auch mit ihr leistungsfähig sein. Ich würde niemandem empfehlen, seine Krankheit am Arbeitsplatz zu erwähnen, aber bei mir im Semester wissen es alle. Allerdings habe ich dadurch noch keine Nachteile gehabt. Das gibt doch Hoffnung!
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